Kampf und Sieg der Arbeiterklasse

Was bewegt die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern?

KAMPF UND SIEG DER ARBEITERKLASSE

Im Rathaus Neubrandenburg wird derzeit ein großes DDR-Kunstwerk mit genanntem Titel freigelegt und restauriert. Die Stadtvertreter einigten sich darauf nach kontroverser Debatte. Die Denkmalpflege hatte das zweiteilige Fresko, als in dem Gebäude noch die SED-Machthaber saßen, als Denkmal aus dem Jahr 1969 anerkannt. Damit Gäste künftig nicht sofort mit dem DDR-Kunstwerk konfrontiert werden, solle das Werk nach der Restaurierung mit einer Glaswand versehen werden, so dass es nur bei eingeschaltetem Licht sichtbar ist.

KARL MARX ALS VORDENKER DES SOZIALISMUS

Nach der friedlichen Revolution fanden die Zeitgenossen die 30 Quadratmeter große Arbeit, die unter anderem Karl Marx als Vordenker des Sozialismus und Wladimir Iljitsch Lenin als russischen Revolutionsführer zeigt, wohl unpassend für ein repräsentatives Gebäude in einer Demokratie und ließen es übertapezieren. Die Debatte unter den Stadtvertretern reichte von einer vollständigen Freilegung ohne Einschränkungen bis zu einer nur teilweisen Freilegung oder der Möglichkeit, ein Rollo vor dem Bild zu montieren. Die Fraktion der Grünen machte sich in einem Änderungsantrag vor allem dafür stark, nicht nur das Bild an sich sichtbar zu machen, sondern auch die Verdeckungen nach der friedlichen Revolution mit in der Restaurierung zu berücksichtigen.

EIN RATHAUS IST KEIN MUSEUM

Doch sowohl dieser als auch ein Änderungsantrag der Fraktion Bürger für Neubrandenburg (BfN) wurden abgelehnt. „Ein Rathaus ist kein Museum, wo Menschen hinkommen und sich mit Kunst auseinandersetzen“, erklärte eine Sprecherin der BfN-Fraktion und warb für eine Teilverdeckung des Kunstwerks, „deshalb müssen wir die Bürger ein wenig vor der Ideologie schützen.“ Die Meinungen zu dem Thema gingen weit auseinander. Ein Ratsherr führte an, dass er nicht verstehe, warum bei diesem Bild so ein Aufstand betrieben werde. Schließlich gebe es im gesamten Stadtbild ähnliche Kunstwerke mit sozialistischem Hintergrund, die nicht verdeckt werden. „Wie können wir das eine verdecken wollen, das andere aber nicht“, fragte er und sprach sich, wie die meisten seiner und der Linksfraktion für eine vollständige Freilegung aus.

ZUGEZOGENE ODER ALTEINGESESSENE

An einem Punkt in der Diskussion kochten die Gemüter auch schon mal über. Plötzlich ging es für einen Stadtvertreter auch darum, ob nun westdeutsche Zugezogene oder alteingesessene Neubrandenburger, welche das Schubert-Fresko noch aus Kindheitstagen kennen, entscheiden sollten. Und ob jüngere Stadtvertreter, die die DDR nie erlebt hätten, sich überhaupt eine fundierte Meinung dazu bilden könnten. Die Verfechter einer vollständigen Freilegung konnten sich mit ihren Argumenten am Ende nicht durchsetzen.

(Nordkurier)

 

In Upahl wird demonstriert

Upahl ist ein kleines Dorf mit 500 Einwohnern zwei km südlich von Grevesmühlen. Etwa 15 Kilometer nördlich der Stadt im Landkreis Nordwestmecklenburg befindet sich die Ostsee, ca. 40 Kilometer westlich liegt Lübeck, 20 Kilometer östlich die Hansestadt Wismar. Grevesmühlen hat 10440 Einwohner und eine Bevölkerungsdichte von 199 Einwohner je km² – im Vergleich die oberschwäbische Kleinstadt Burgau mit 396 Einwohnern/km². Grevesmühlen ist eine der ältesten Städte Mecklenburgs. 1226 wurde Gnevesmulne und 1262 als oppidum (Stadt) erstmals urkundliche erwähnt.

ZORN

Die altpolabische Silbe Gněv könnte dabei möglicherweise mit „Zorn“ übersetzt werden (vgl. Sorbisch hněw, gniw). Und Zorn bewegt die Menschen auf die Straße. Vierhundert Flüchtlinge sollen in einem Containerdorf in Upahl untergebracht werden. „Upahl sagt Nein“ kann auf manchen Schildern gelesen werden. Die Politik streitet über den Generalverdacht Sozialbetrug bis zu einer flächenmäßig besseren Verteilung der in Not Geratenen.

ANGST

Die Vorstellung von annähernd gleich vielen fremden Menschen im Dorf mit unzulänglichen Sprachkenntnissen und großen kulturellen Unterschieden kann schon beängstigend sein. Ein Gemeinderat brach in Tränen aus, er fürchtete sich um die Sicherheit seiner Tochter. Die Angst, dass Kinder und Jugendliche sich in Zukunft nicht mehr unbegleitet frei im Dorf bewegen werden können, wird auch von anderen Bürgern geäußert. Bis zu 700 Personen hatten sich vor den Sitzungen in Grevesmühlen versammelt.

POLIZEI RIEGELT AB

120 Polizeibeamte sicherten das Gebäude ab, wobei es auch zu tumultartigen Szenen kam. Aber „Nein“ kann kein Ausweg sein, ähnlich den Protesten gegen Windräder und Photovoltaik. Und dennoch hat sich dieses Vier-Buchstaben-Wort zu einem Leitmotiv in den gegenwärtigen Protesten gemausert. Denken wir an Corona und die Quarantäne-Vorschriften, ans Impfen, an den Ukraine-Krieg, an Lüzerath, an die Lieferung von Panzern. Ein eindeutiges „Ja“ ist eher selten zu hören oder zu sehen. Vielleicht erfordert eine Zustimmung auch eine Mit-Verantwortung?

NEIN

„Nein“ kennen wir auch aus der Pubertät. Es gehört zum Standard-Verhalten der Heranwachsenden, wenn es um gesellschaftliche Angelegenheiten geht, um das Alte hinter sich zu lassen und das Neue zu beginnen. In der Steinzeit wurden die Väter und Mütter durch ihre pubertierenden Kinder notwendigerweise ersetzt. Die genetische Anlage beim Nachwuchs ist geblieben, nur, daß sich die 40jährigen Eltern heute nicht wirklich ersetzen lassen wollen. Das steinzeitliche Erbe bei den Pubertierenden trifft auf Ablehnung und Unverständnis bei den mitten im Leben stehenden Erwachsenen. Das „Nein“ der in den Startlöchern eines ehemals lebensnotwendigen Generationenwechsels stehenden Jugend ist das Überbleibsel aus der Steinzeit-Gesellschaft.